SOULFOOD
DELIKATE SNACKS UND GERICHTE MIT WINTERLICHEN GEMÜSEN KOMMEN
IMMER MEHR IN MODE. KEIN WUNDER, WO SICH DOCH IMMER MEHR GUTE
KÖCHE IHRER ANNEHMEN. WIE JOHANNES REISINGER, DER FÜR
NEUBURGER EIN PAAR SCHÖNE REZEPTE AUFGESCHRIEBEN HAT.
Im Winter stellt uns Mitteleuropäer die Natur vor größere Herausforderungen. Es ist kalt, die Sonne scheint kaum bis gar nicht, die Pflanzen konzentrieren ihre Energie nach innen und in Richtung Erdmittelpunkt: dahin, wo es schön warm ist. Nichts wächst, nichts grünt, die Blätter der Obstbäume bedecken längst den Boden. Die Seele braucht jetzt Nahrung, nicht nur der Magen. Soulfood nennt man, was jetzt gerne aufgetischt wird, eine Mischung aus herzhaften, oft buttrig-mehligen Rezepten, süßen oder salzigen Aufläufen, opulenten Braten – allem, was satt und glücklich macht. Gemüse im Winter? Bisher Fehlanzeige.
Dem Begriff Wintergemüse haben wir jahrzehntelang unrecht getan. Schuld daran war die Winterküche unserer bescheidenen Großmütter. Sie kochten Kartoffeln, Sauerkraut und Kohl, und das gab es dann. Mit dem Resultat, dass mehr als eine Generation Mitteleuropäer mit Rüben, Linsen, Buchweizen und Kohl nichts anzufangen weiß, weil diese zu lange als Arme-Leute-Küche galten.
VON DER ARME-LEUTE-KÜCHE INS STERNE-RESTAURANT
Die Trendwende kam ausgerechnet aus Frankreich, als der Koch-Gott Alain Passard in Paris vor 25 Jahren statt eines stattlichen Fleischbratens eine in der Salzkruste gegarte Rote Rübe servierte. Auf einmal war das unterirdische Gemüse der letzte Schrei, es wurde nicht als Suppe, sondern als delikater Salat, als Beilage, als raffinierter Hauptgang und sogar gemeinsam mit Schokolade und Himbeeren als Dessert serviert. Auch wenn viele Gourmets über zu viele dunkelrote Wiederholungen auf den Speisenkarten stöhnen – die Rote Rübe ist ein Meisterwerk an geschmacklicher Vielfalt und Einsetzbarkeit. Und an Vitaminen und Nährstoffen.
In ihrem Schlepptau gewannen auch andere winterliche Gemüsesorten an gutem Ruf und Beliebtheit. Kohlsprossen beispielsweise haben es verdient, dass man sich ihnen mit Bedacht widmet, als handle es sich dabei um teure Weiße Trüffeln. Um ihnen den bitteren Grundton zu nehmen, werden sie zuerst mit heißem Wasser überbrüht, dann abgeschreckt, schließlich mit mild-süßlichem Schlagobers weiter verarbeitet. Buchweizen hingegen ist pures Kraftfutter, daraus macht man Mehl, das unter anderem in der Bretagne sehr beliebt ist. Gekocht ist Buchweizen eine schöne Alternative zu Risotto, wie man es zum Beispiel in Südtirol schätzt. Mutter Erde hat im Winter aber noch einiges mehr auf Lager.
GEMÜSE IST TERROIR AM TELLER
Die erdige Topinambur wird, richtig zubereitet, zu delikaten Suppen oder luftigen Pürees. Der vor Vitaminen strotzende Grünkohl gerät zum Gedicht für Feinschmecker, wenn man aus ihm Blatt für Blatt Saft und sanft bittere bis süße Knusprigkeit herausholt.
Was Köchin und Koch beim Umgang mit Wintergemüse wissen müssen, macht Johannes Reisinger vor. Er gilt als einer der profiliertesten Küchenchefs im Umgang mit Gemüsen, veranstaltet Seminare, engagiert sich bei Slow Food und weiß: Gemüse braucht eine sensible Hand bei der Zubereitung und einiges an Wissen über sinnstiftende Kombinationen mit den passenden Ölen und Essigen, mit Gewürzen, Beeren und Nüssen, den Elementen sauer, süß, bitter und salzig. So wird im Winter aus einer vermeintlichen Arme-Leute-Küche eine Delikatesse auf der Höhe der Zeit.
AUF DIE TEMPERATUREN KOMMT ES AN
Johann Reisinger, einer der ausgewiesenen Experten im Umgang mit Gemüse, hat für Neuburger ein paar winterliche Gerichte entworfen, die so einfach zuzubereiten wie delikat sind. Sein Credo: „Ich möchte aus einer Zutat das Maximum herausholen. Gemüse ist für mich am diffizilsten, es ist so vielfältig, so unterschiedlich.“ Er meint, eine Rübe, die auf sandigem Boden wächst, schmecke anders als eine, die im lehmigen Untergrund gedeiht. „Gemüse ist wie Wein,“ sagt Reisinger, „es ist sehr vom Terroir geprägt, also vom Boden und dem Klima.“ Reisinger führt kein Restaurant, ist aber in seiner Eigenschaft als Koch viel unterwegs
Dann freut es ihn, aus einem Gemüse mehrere Komponenten zu machen, den Charakter des Gemüses auszuloten. Etwa, wenn er eine Karotte brät, aus dem rohen Saft eine Sauce zubereitet und mit dem Grün der Karotte nochmal ein eigenes, kleines Gericht entwirft. „Mit Gemüse muss man sich sensibel und mit Liebe auseinandersetzen,“ sagt er. Und macht im gleichen Atemzug Neuburger ein Kompliment: „Da spürt man auch, dass es echtes Essen ist.“
Seine Empfehlung für den optimalen Genuss: „Neuburger immer bei Zimmertemperatur servieren, nicht zu heiß, nicht zu kalt. Dann entfaltet er seine Aromen und seine Textur am besten.“