GESCHICHTE DES LUXUS

TRÜFFEL, KAVIAR, GÄNSELEBER & CO. AUS IHNEN SETZT SICH DER MENÜPLAN DER WIRKLICH LUXURIÖSEN DINERS ZUSAMMEN. ABER WIRD DAS AUCH SO BLEIBEN?

Es gab Zeiten, in denen ein Mann, der einen Sack voll Pfeffer besaß, unvorstellbar reich war. Um Salz wurden auch Kriege geführt. Ein britisches Handelsmonopol für Tee gab sogar den Anstoß, die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika zu proklamieren. Die Vorstellung von luxuriösen Speisen und Zutaten hat sich im Laufe der Jahre natürlich geändert, das Prinzip des Luxus bleibt indessen immer gleich: stark eingeschränkte Verfügbarkeit einerseits, hoher Imagefaktor andererseits. Damit einhergehend eine große Nachfrage nach diesen Produkten bei den Wohlhabenden und Mächtigen beziehungsweise denen, die gerne für solche gehalten werden möchten.

Rar und exquisit sind Güter allerdings aus unterschiedlichsten Gründen. Einer ist, dass die Natur diese Dinge nur äußerst sparsam freigibt oder zumindest gut versteckt. Auch wenn Herstellung und Transport aufwändig und teuer sind, wird die Menge klein bleiben. Ein anderer Grund kann sein, dass der Mensch beschlossen hat, das Angebot knapp und den Markt dadurch lebendig zu halten.

In der Antike und im Mittelalter dauerte es ewig, bedeutete unzählige Gefahren und kostete enorme Summen, ein Pfefferkorn vom westlichen Indien nach Europa zu bringen. Der Reichtum der prächtigsten Städte im Orient fußte auf dem Handel mit Gewürzen, und wer im Okzident seine einflussreichen Gäste zu beeindrucken trachtete, der pfefferte. Venedig erlangte im 14. Jahrhundert ein Monopol für den Gewürzhandel, was endlosen Reichtum und Überfluss mit sich brachte. Venedigs Gegnern, vom Pfefferhandel ausgeschlossen, blieb nur die Chance, einen Ersatz für das würzige Korn zu erfinden: Den Genuesen fiel auf diese Weise immerhin das Pesto ein.

Noch viel älter ist die Erfolgsgeschichte des Salzes. Speisen zu salzen bedeutete in der Jungsteinzeit und Bronzezeit, sie haltbar zu machen. Das war ein Vorteil von enormer strategischer Bedeutung. Handelswege von den Küsten ins Innere des Kontinents gab es nicht. Somit war ein Berg aus Salz wie etwa in Hallstatt gleichbedeutend mit einem Berg von Gold. Das Salz aus engen Stollen zu schürfen erwies sich zwar als gefährlich, aber es lohnte sich. Denn ohne Salz wollte und will der Mensch nicht leben. Heute wird das weiße Gold immer noch aus den gleichen Bergen gewonnen wie schon vor 5.000 Jahren. Allerdings im industriellen Ausmaß und nur mehr zum geringen Teil für Genusszwecke.

Salz bekommt heute nur einen luxuriösen Touch, wenn es eine Rarität ist. An wenigen Orten und unter speziellen Bedingungen produziert, beschränkt verfügbar, aber auf der ganzen Welt begehrt. Wie zum Beispiel das berühmte „fleur de sel“. Dieses Salz entsteht nur dann, wenn sich Wind und Wetter so verhalten, dass in den Salinen am Mittelmeer oder Atlantik eine hauchdünne Salzkruste auf den Wasserflächen entsteht. Es muss unheimlich vorsichtig und rasch „geerntet“ werden, denn sonst verschwindet dieses Phänomen gleich wieder. Rein chemisch betrachtet ist natürlich auch das teure und exklusive „fleur de sel“ ganz normales Natriumchlorid. Seine spezielle flockenartige Kristallstruktur sorgt allerdings dafür, dass es auf der Zunge weitaus intensiver und prägnanter wahrgenommen wird, weshalb es auch wie ein kostbares Gewürz eingesetzt wird. In der Suppe schmeckt es wie jedes andere Salz auch. Um das „fleur de sel“ entstand in den vergangenen zehn Jahren ein regelrechter Kult. Die kostbaren handgeernteten Salze kommen mittlerweile nicht nur aus der Camargue und der Bretagne, sondern auch aus Portugal, Spanien, Slowenien und der Türkei. Eines der teuersten wird in einer Saline auf Ibiza gewonnen. Es kostet hundert Euro pro Kilo.

Transportwege spielen heutzutage in der Definition von Luxus eigentlich überhaupt keine Rolle mehr. Wenn es irgendwas irgendwo auf der Welt gibt, dann ist es relativ rasch überall zu bekommen. So gesehen haben klassische „Kolonialwaren“ wie Tee, Kakao und Kaffee, aber auch Gewürze ihren luxuriösen Status längst eingebüßt und sind selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags geworden. Doch Handarbeit macht selbst heute manche Gewürze immer noch teuer und luxuriös. Safran etwa besteht aus den Stempelfäden einer speziellen Krokusart. Die Blume an und für sich ist nichts Besonderes und lässt sich, etwa in der spanischen Mancha, problemlos anbauen. Die Staubgefäße, drei pro Krokus, können aber eben nur händisch „gepflückt“ werden. Höchstens ein hundertstel Gramm wiegt so ein Faden. Für ein Kilo dieses teuersten aller Gewürze benötigt man zwischen 80.000 und 150.000 Blüten. Ähnlich aufwändig ist die Herstellung von Vanille: Die Schoten der Orchideengewächse müssen mehrere Monate hindurch erhitzt, gewaschen, fermentiert und getrocknet werden. Etwa ein Jahr nach der Ernte ist die ursprünglich grüne Schote braun, runzelig und weich und verströmt eines der beliebtesten Aromen der Welt. Auch hier kann die manuelle Arbeit nicht ersetzt werden.

Bei diesen Produkten wird sich an den hohen Preisen und damit ihrer luxuriösen Eigenart auch in Zukunft wenig ändern, bei anderen köstlichen Raritäten ist das nicht so. Die Trüffel etwa, dieser seltene und schwer zu findende Röhrenpilz mit dem unvergleichlichen Aroma, wird mittlerweile schon erfolgreich gezüchtet. Das lässt die derzeitigen Preise von 2.000 bis 4.000 Euro pro Kilo auf Dauer nicht realistisch erscheinen. Zwar sträubt sich die edelste aller Trüffeln, Tuber magnatum oder weiße Alba-Trüffel, noch gegen solche Innovationen und wird im Piemont aufgrund der Umweltbedingungen auch immer seltener. Aber erstens ist die Züchtung nur eine Frage der Zeit und zweitens wird die duftende Knolle im ganzen Mittelmeerraum gesucht und auch gefunden. Abgesehen davon: Trüffelöle, Trüffelbutter und zahlreiche Produkte, die mit „Trüffelabfall“ aromatisiert werden, tragen zur Demokratisierung des einstmals unbezahlbaren Pilzes bei.

Auch bei einem weiteren Inbegriff luxuriösen Genusses wird sich in den nächsten Jahrzehnten einiges verändern. Denn der teuerste und beste Kaviar, jener vom Beluga-Stör, wird schlicht und einfach von der Bildfläche verschwinden. Der Bestand dieser riesenhaften Urfische wurde bereits stark dezimiert. Und angesichts der augenblicklichen Kaviarpreise und der nur schwer kontrollierbaren Fangvorschriften wird der Fisch bald ausgerottet sein. Alternativen sind die ebenfalls köstlichen Eier der anderen Edelstöre Sevruga und Osietra und die Züchtung von Stören, die in Deutschland, Italien, Russland und den USA bereits in großem Umfang betrieben wird. Das heißt, „echter“ Kaviar wird in Zukunft nicht nur unerschwinglich, sondern überhaupt unerhältlich sein. Gezüchteter Kaviar könnte indes zu durchaus zivilen Preisen seinen Weg auf unsere Blinis finden.

Sollte die luxuriöse Gesellschaft dann die Exklusivität vermissen und keinen Spaß mehr daran haben, so finden sich sicherlich wieder ein paar neue rare Köstlichkeiten. Sei es das Kobe-Beef von den jährlich nur etwa 4.000 Wagyu-Rindern aus Japan, das etwa auf 300 Euro pro Kilo kommt. Oder Kopi Luwak. Kaffee aus Bohnen, die von wilden indonesischen Fleckenmusang-Schleichkatzen gefressen, verdaut und ausgeschieden werden. Derzeit werden 230 Kilo dieses „außerordentlichen“ Kaffees pro Jahr erzeugt, das Kilo kommt auf etwa 1.000 Dollar. Oder eine Flasche Bordeaux des Jahrgangs 1776, die für den Keller von Thomas Jefferson bestimmt war, mit dem Frachtschiff unterging, 200 Jahre später wieder geborgen und um 215.000 Euro versteigert wurde. Wer den köstlichen Luxus wirklich sucht, wird ihn finden.